Schlüssleposition Assistenz Sabine Kupfer

Zwischen den Stühlen – und trotzdem aufrecht.

Warum die Assistenz eine Brückenbauerin ist – jedoch nicht zur Brücke werden sollte.

Ich erinnere mich noch gut an diesen Morgen.

Die Kaffeemaschine surrte, ich war gerade dabei, meine erste Tasse zu genießen, als die Teamleitung in der Tür stand. Ihr Blick sprach Bände, noch bevor sie den Mund aufmachte.

„Können Sie da bitte mal ein bisschen übernehmen und das alles klären? Ich halte das sonst nicht mehr aus.“

 
Es war keine Frage, sondern eine stille Erwartung: die Wogen glätten, vermitteln, alles ins Lot bringen – wie so oft.

Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, klingelte das Telefon.

Die Stimme am anderen Ende klang angespannter als sonst. Der Geschäftsführer brauchte Ruhe, Klarheit, schnelle Antworten. Zwischen den Zeilen hörte ich, was unausgesprochen blieb:
„Klären Sie das für mich. Machen Sie es weg.“

Damals fühlte sich das wie eine Bestätigung an.
 Ich konnte das doch. Ich verstand beide Seiten, ich spürte, was gebraucht wurde, und ich wusste, wie man Menschen beruhigt, ohne dass jemand sein Gesicht verliert.

Ich dachte, das sei mein Job: alles abfedern, übersetzen, lösen.

Heute sage ich gerne: Es hilft Menschen nicht, wenn man alles für sie löst. Das habe ich damals gemacht. Ich war die Brücke, über die alle unbemerkt gehen konnten – und genau deshalb blieb ich selbst unsichtbar.

 
Erst als ich begann zu zeigen, wie eine Brücke gebaut werden kann und wie jeder selbst Konflikte klärt, wurde ich wirklich gesehen. Ich wurde zur Brückenbauerin – und war nicht länger nur die Brücke.

Eine Brückenbauerin zu sein, ist eine Kunst – keine Selbstaufgabe

Viele Assistenzen, mit denen ich heute arbeite, kennen ähnliche Situationen.


Sie wollen, dass alles läuft. Dass niemand laut wird. Dass Konflikte sich in Luft auflösen. Dass Spannungen im Büro nicht zum Flächenbrand werden.
Und weil sie so viel spüren, übernehmen sie auch viel – oft im Hintergrund.
Meist zu viel.

Und leider oft so, dass es niemand wirklich bemerkt.

Die Wahrheit ist: Wer Brücken baut, hält Dinge in Bewegung.


Wer selbst zur Brücke wird, bleibt starr stehen.


Man wird zum Übergang – belastbar, unerschütterlich, doch irgendwann rissig, weil zu viele drüberlaufen, ohne zu fragen, wie es darunter aussieht. Manche Menschen merken nicht einmal, dass sie eine Brücke überqueren. Sie tun es einfach.


Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum die Assistenz in vielen Unternehmen so oft übersehen wird: Weil sie verlässlich da ist, alles zusammenhält – aber selten laut sagt, dass sie da ist.


Diese feine Unterscheidung zu verstehen, hat mein Arbeitsleben verändert.
Brücken bauen ist eine bewusste Entscheidung.


Eine Brücke sein dagegen bedeutet: aushalten, oft unbedacht und auf Dauer auf Kosten der eigenen Kraft.

Verbindung schaffen heißt nicht: alles ertragen

Wenn ich heute mit Assistenzen darüber spreche, wer sie sind und was sie leisten, sage ich oft:


„Ihr seid die stillen Architektinnen der Verständigung. Aber ihr müsst wissen, wo eure eigene Seite anfängt.“

Es macht einen Unterschied, ob ich einen Konflikt erkenne und dafür sorge, dass er offen angesprochen wird – oder ob ich versuche, ihn unsichtbar zu machen, nur damit oberflächliche Ruhe herrscht.

Einen Konflikt unsichtbar zu machen bedeutet: Ich sorge im Stillen dafür, dass alles rund läuft, ohne dass jemand merkt, dass etwas im Argen liegt – oder dass ich überhaupt etwas damit zu tun habe.
 Dafür zu sorgen, dass etwas offen auf den Tisch kommt, heißt: Ich stehe aufrecht und zeige Haltung. Das bedeutet nicht zu petzen oder anzuprangern, sondern mit Menschen ins Gespräch zu gehen und zu sagen: „Moment, hier stimmt etwas nicht, lass uns das klären.“

Verbindung entsteht durch Klarheit, nicht durch Selbstaufgabe.

Was mir damals geholfen hätte – und heute vielen hilft

Es hat Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, dass es nicht heldenhaft ist, alles auszuhalten.
 Es ist viel mutiger, sich dabei nicht selbst zu verlieren.

Viele fragen mich: „Wie schafft man diesen Unterschied im Alltag?“


Man beginnt mit kleinen, ehrlichen Fragen – an sich selbst, bevor man wieder springt, vermittelt, rettet.
Eine Frage hat für mich alles verändert:


„Wem gehört das Problem wirklich?“

Ich habe gelernt, nicht jedes Schweigen auszuhalten. Nicht jede Lücke selbst zu füllen. Nicht jede Spannung heimlich zu glätten.

Und ich habe mir Sätze zurechtgelegt, die mir bis heute helfen, in meiner Rolle zu bleiben, ohne mich darin aufzulösen.

Wie Du Brücken baust, ohne Dich selbst zu verlieren

Verbindungen schaffen - Assistenz als Brückenbauerin

Vielleicht klingt das theoretisch, doch es wirkt im Alltag – wenn Du Dir einen Moment gönnst, bevor Du handelst.

Wenn Du merkst, dass Du wieder dabei bist, alles aufzufangen, halte kurz inne. Sprich stattdessen aus, was Du siehst – ohne Dich sofort zuständig zu fühlen:

„Mir fällt auf, dass wir hier gerade aneinander vorbeireden. Wer übernimmt das Thema?“

Frage nach, bevor Du unausgesprochene Erwartungen annimmst:

„Was erwarten Sie konkret von mir in dieser Situation?“
Das klingt einfach – doch es verändert sofort die Dynamik.

Gib Dir jeden Tag einen kleinen Moment nur für Dich:

„Was habe ich heute getan, was wirklich meine Aufgabe war – und was nicht?“

Diese Ehrlichkeit schenkt Dir mit der Zeit eine neue Haltung.

Übe ein Nein, das keine Entschuldigung braucht:

„Das kann ich so nicht übernehmen.“

Mehr musst Du nicht erklären. Du wirst sehen, wie sehr Dich das stärkt. Das ist Nein sagen – und das ist klare Grenze. Und auch Deine Grenzen verdienen Respekt.

Such Dir jemanden, der Dich spiegelt: eine Kollegin, ein Coach, eine gute Freundin. Jemand, der Dich liebevoll stoppt, wenn Du wieder mehr trägst, als Dir guttut.

Es geht nicht darum, weniger für andere da zu sein

Viele denken: „Wenn ich mich klar abgrenze, bin ich egoistisch.“

Das Gegenteil ist wahr.


Wer klar ist, bleibt gesund.

Wer gesund ist, kann wirken – und Veränderungen anstoßen.


Wer wirkt, wird respektiert – gerade, weil er nicht alles still hinnimmt.

Heute weiß ich: Ich bin immer noch eine Brückenbauerin – weil ich das kann und liebe. Ich verbinde Menschen, Gedanken, Sichtweisen – und ich lasse Unterschiedlichkeiten zu. Das habe ich als Assistenz geliebt und ich liebe es heute als Mediatorin. Beides gehört für mich zusammen.

Mein Rat an Dich: Baue Deine Brücken bewusst – so, dass Du dabei immer auf Deiner eigenen Seite stehst.


Und wenn Du das üben willst: Mein Kompaktkurs „Souverän im Büro“ zeigt Dir Schritt für Schritt, wie Du genau das schaffst.

Sabine Kupfer

Die KonfliktPiratIn

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1 Gedanke zu „Zwischen den Stühlen – und trotzdem aufrecht.“

  1. Liebe Sabine, es hat sich wieder ein Fenster aufgemacht, und frischer Wind meine eingestaubten Gedanken etwas aufgewirbelt.
    Lieber Brückenbauerin sein als Brücke, so hatte ich die Dinge noch nicht gesehen und bin dir dankbar dass du mich zum Nachdenken gebracht hast.
    Herzlichen Dank für diesen tollen Input!

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